Seit Donald Trumps Wiederwahl in den Vereinigten Staaten zum Präsidenten ist in Europa eine Diskussion entbrannt, in der alte weiße Männer um die „Werte des Westens“ fürchten – wie jüngst der Historiker Heinrich August Winkler in der WELT. Dabei stellt sich unvermeidlich die Frage: Worum geht es eigentlich? Welche Werte sind es, die als „westlich“ tituliert werden? Der Berliner Propst Gerald Gösche bezeichnete in einem Corrigenda-Interview eben jene Werte zum Teil gar als „Todsünden“.
Dieser Einschätzung kann man als Katholik nur beipflichten. Denn wenn mit „westlichen Werten“ jene Prinzipien gemeint sind, die durch die Französische Revolution und ihre Kriege mit Gewalt, Mord und Chaos verbreitet wurden, so handelt es sich um Werte, die von der Kirche ausdrücklich verurteilt wurden – insbesondere im „Syllabus Errorum“ von 1864. In diesem Dokument werden u.a. die Religionsfreiheit, die Trennung von Kirche und Staat sowie der Liberalismus als unvereinbar mit dem katholischen Glauben erklärt. Dabei stellt der „Syllabus Errorum“ kein Novum dar, sondern fasst lediglich die bereits zuvor geltende Lehre der Kirche zusammen. Schon Pius VI. lehnte 1791 die Französische Revolution ab. In seinem Breve „Quod aliquantum“ äußerte er sich mit scharfen Worten gegen die Beschlüsse der Revolutionäre:
„Wo ist jene Gedanken- und Handlungsfreiheit, die die Nationalversammlung [conventus] dem in Gesellschaft lebenden Menschen wie ein unabänderliches Gesetz seiner Natur [naturae jus] zuschreibt? So ergibt sich notwendigerweise aus dem Inhalt ihrer Dekrete ein Widerspruch zum Recht des Schöpfers, durch den wir sind und dessen Großmut wir alles verdanken, was wir sind und haben.“
Der Papst wartete fast zwei Jahre, ehe er sich öffentlich äußerte. Der Bruch mit den Revolutionären erfolgte, als er erkannte, dass deren Ziel letztlich die Vernichtung der Kirche war. In seinem Breve formulierte Pius VI. erstmals eine umfassende päpstliche Opposition zu den modernen Menschenrechten, wie sie in der „Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“ der Französischen Revolution niedergelegt wurden.
Diese Ablehnung wurde noch verschärft durch die päpstliche Behauptung, dass „jene angeborene Gleichheit und Freiheit unter den Menschen sinnlos ist.“ Stattdessen verwies Pius VI. auf den Römerbrief, um die vorrevolutionäre Gesellschaftsordnung biblisch zu legitimieren: „Ihr müsst notwendigerweise untertan sein.“
Die Freiheit zur Sünde und zur Revolution, wie sie von liberalen und sozialistischen Strömungen propagiert wird, sind somit keineswegs eigentliche „westliche Werte“.
Die eigentlichen „westlichen Werte“
Warum aber wurden in Europa Universitäten gegründet – und zwar bereits im Mittelalter? Warum befindet sich die älteste Universität Europas in Bologna, die 1088, zur Hochzeit des Christentums, gegründet wurde? Weil die mittelalterliche Welt von der Erkennbarkeit der Wahrheit überzeugt war und daran glaubte, dass dem Universum eine göttliche Ordnung zugrunde liegt. Das Motto der Universität Oxford bringt dies auf den Punkt: „Dominus illuminatio mea“ – „Der Herr ist mein Licht“.
Nicht zufällig sind die Zentren europäischer Städte geprägt von den großen Kathedralen: in Köln, Aachen, Münster, München, Florenz, Mailand, Paris, Wien oder Krakau. Diese Bauwerke, von unvergleichlicher Schönheit und Erhabenheit, sind Ausdruck der göttlichen Ordnung, der Erkenntnis des Menschen als Abbild Gottes und der Hoffnung auf das ewige Heil.
Das sind die wahren Werte des Westens: die Werte des Christentums – Gnade, Schönheit, Barmherzigkeit und Gottesfurcht. Der gesamte kulturelle Schatz des Christentums macht unsere Identität aus und verdient es, bewahrt zu werden.
Doch was können wir tun? Die Antwort darauf gab bereits Giovannino Guareschi, der Schöpfer des streitbaren Priesters Don Camillo, in seinem posthum erschienenen Buch „Don Camillo und das rothaarige Mädchen“ aus dem Jahr 1969:
„Was können wir tun?“ – „Dasselbe, was ein Bauer tut, wenn der Fluss über die Ufer tritt und die Felder überschwemmt: die Saat retten. Wenn der Fluss sich in sein Bett zurückzieht, so scheint die Erde wieder auf, und die Sonne trocknet sie. Wenn der Bauer den Samen gerettet hat, kann er ihn erneut auf der Erde ausbringen, die durch den Fluss noch fruchtbarer gemacht wurde; und der Samen wird heranreifen, und die prallen und goldenen Ähren werden den Menschen Brot, Leben und Hoffnung geben.
Man muss den Samen retten: den Glauben. Don Camillo, man muss denen helfen, die noch Glauben haben und ihn intakt halten. Die geistige Wüste erstreckt sich jeden Tag ein Stück weiter, jeden Tag trocknen mehr Seelen aus, weil sie den Glauben abgeworfen haben. Jeden Tag zerstören immer mehr Menschen vieler Worte aber ohne Glauben das spirituelle Erbe der Menschheit und den Glauben anderer. Menschen jeder Rasse, jeder Abstammung, jeder Kultur.“
Don Camillo wäre nicht Don Camillo, wenn er nicht sarkastisch nachfragte:
„Willst du damit vielleicht andeuten, dass der Teufel so listig geworden ist, dass er es ab und an auch schafft, sich als Priester zu verkleiden?“
„Ich bin gerade erst aus dieser Klemme mit dem Konzil herausgekommen, willst du mich wieder in die Klemme bringen?“