Der Herr der Ringe und Game of Thrones sind nicht nur beliebte Fantasy-Geschichten, sondern in erster Linie Ausdruck zweier grundlegend unterschiedlicher Weltanschauungen. Der Herr der Ringe ist nach Tolkiens eigenen Worten ein „katholisches Werk“ (Brief an den Jesuiten Robert Murray, 1953, Letter 142). George R.R. Martin, der Autor von Game of Thrones, bezeichnet sich hingegen als „Skeptiker“, was letztlich – wie sich zeigt – eine Form des Heidentums widerspiegelt.
Die Weltanschauung in Der Herr der Ringe
In Tolkiens Werk wird die Annahme eines Naturrechts und einer göttlichen Ordnung deutlich. Dies zeigt sich vor allem am zentralen Motiv des Rings, der Macht symbolisiert. Für Tolkien ist das Gute nicht dasjenige, das sich durch Willenskraft und Selbstbehauptung gegen das Böse durchsetzt. Vielmehr siegt das Gute, indem es seinen von Gott bestimmten Platz einnimmt.
Der Tolkien-Gelehrte Tom Shippey beschreibt die Verbindung zwischen den Valar – göttlich-engelhaften Wesen – und dem „Glück“ auf Mittelerde. Er stellt fest, dass „die Menschen … in der nüchternen Realität eine stark strukturierende Kraft in der Welt um sie herum erkennen“, die auf die „Vorsehung oder die Valar“ zurückzuführen sein mag. Doch diese Kraft beeinträchtigt den freien Willen nicht und unterscheidet sich nicht von den gewöhnlichen Vorgängen der Natur, noch verringert sie die Notwendigkeit „heroischer Anstrengungen“. Diese Vorsehung zeigt sich in Der Herr der Ringe subtil, wie Gandalf im Buch gegenüber Frodo andeutet:
„Dahinter war noch etwas anderes am Werk, unabhängig von den allen Plänen des Ringschmieds. Ich kann es nur so ausdrücken, dass es Bilbo beschieden war, den Ring zu finden – und zwar nicht von dem Schmied. Und dann war es auch dir beschieden, ihn zu bekommen. Vielleicht ermutigt dich dieser Gedanke.“
Warum also wird Frodo der Ringträger und nicht Aragorn oder Gandalf? Für Tolkien liegt die Versuchung des Bösen gerade in der Macht, der die Starken besonders erliegen. Ein einfältiger Hobbit wie Frodo ist dieser Gefahr weniger ausgesetzt. Der Ring würde in den Händen Gandalfs mehr Böses anrichten als in denen Saurons, weil Gandalf ihn für Gerechtigkeit einsetzen würde, was ihn selbstgerecht macht. Diese Form von Macht würde Gerechtigkeit durch Zwang einführen und Freiheit sowie die Möglichkeit, das Gute aus Liebe zu wählen, zerstören. „Coercion for good ends“ – Zwang, um gute Ziele zu erreichen, gehörte zu den Dingen, die Tolkien am meisten ängstigten.
Tolkien sah die menschliche Natur als gefallene und schrieb in einem Brief:
„Die Tragödie und Verzweiflung aller Maschinen [Der Ring ist eine Chiffre für die Maschine an sich, JJ] liegt offen zutage. Anders als die Kunst, die sich damit begnügt, eine neue sekundäre Welt im Geist zu schaffen, versuchen sie, das Verlangen zu verwirklichen (to actualize desire) und so Macht in dieser Welt zu schaffen; und das kann nicht wirklich zu echter Befriedigung führen. Arbeitssparende Maschinen schaffen nur endlose und schlechtere Arbeit. Und zu dieser grundsätzlichen Unfähigkeit eines Geschöpfes kommt noch der Sündenfall hinzu, der unsere Maschinen nicht nur am Begehren scheitern, sondern zu neuem und schrecklichem Bösem werden lässt.“
In Der Herr der Ringe wird die Gebrochenheit der Welt ernst genommen. Statt Fortschritt und Entwicklung steht Heilung im Vordergrund – die Wiederherstellung der Gnade und die Vergebung der Sünden. Frodo rettet die Welt durch einen priesterlichen Akt, durch Opfer. Wie er am Ende selbst erkennt:
„Ich habe das Auenland zu retten versucht, und es ist gerettet worden, doch nicht für mich. So geht es oft zu, Sam, wenn etwas in Gefahr ist: Der eine muss es aufgeben, es verlieren, damit die anderen es behalten können.“
Frodo ist der gehorsame Ringträger. Nicht Macht oder Selbstverwirklichung treiben ihn, sondern Pflichtbewusstsein und Demut. Der Ring wird schließlich zerstört, aber nicht von Frodo selbst – er erliegt der Versuchung –, sondern von Gollum. Die Rettung der Welt verdankt sich somit der Barmherzigkeit, nicht der Stärke. Tolkien schreibt: „Aber an diesem Punkt wird die ‚Rettung‘ der Welt und Frodos eigene ‚Rettung‘ durch sein vorheriges Mitleid und seine Vergebung der Verletzung erreicht. Jeder vernünftige Mensch hätte Frodo zu jedem Zeitpunkt gesagt, dass Gollum ihn mit Sicherheit (nicht ganz sicher – die Unbeholfenheit in der Treue Sams war es, die Gollum schließlich an den Rand des Abgrunds trieb, als er im Begriff war, Buße zu tun) verraten würde und ihn am Ende ausrauben könnte. Ihn zu ‚bemitleiden‘, es zu unterlassen, ihn zu töten, war ein Stück Torheit oder ein mystischer Glaube an den ultimativen Wert von Mitleid und Großzügigkeit an sich, auch wenn er in der Welt der Zeit verhängnisvoll ist. Er beraubte und verletzte ihn am Ende – aber durch eine ‚Gnade‘ war dieser letzte Verrat genau zu einem Zeitpunkt, als die letzte böse Tat das Günstigste war, was jemand für Frodo hätte tun können! Durch eine Situation, die durch seine ‚Vergebung‘ geschaffen wurde, wurde er selbst gerettet und von seiner Last befreit. Ihm wurde zu Recht die höchste Ehre zuteil – denn es ist klar, dass er und Sam den genauen Ablauf der Ereignisse nie verheimlicht haben.“
In Tolkiens Welt rechtfertigen gute Ziele niemals schlechte Mittel. Schlechte Methoden korrumpieren das Ziel und machen es unerreichbar. Die Vorstellung, dass Erfolg schlechte Mittel rechtfertigt ist eine Überzeugung, die Tolkien als das eigentliche Böse ansieht.
Die Weltanschauung in Game of Thrones
In Game of Thrones hingegen fehlt der Glaube an das Gute und an Barmherzigkeit. Die Welt ist geprägt von einem radikalen Überlebenskampf, in dem Ziele die Mittel rechtfertigen. Die Serie spiegelt die heutige liberal-emanzipatorische Gesellschaft wider und verpackt sie in die Kulisse des Mittelalters. Es gibt keine naturrechtlichen Traditionen, sondern nur den Willen zur Macht in einer gnadenlosen Welt ohne einen guten Gott.
Dies wird unter anderem an der Figur Arya Stark deutlich. Sie verkörpert eine selbstbestimmte Feministin mit Schwert – eine Version von Nietzsches Übermensch. Arya lehnt ihre vorgegebene Rolle in der Gesellschaft ab, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Doch nach Tolkien ist genau das das Böse: die Ablehnung der göttlichen Ordnung und die Illusion, dass man in der Selbstbestimmung das Gute erreichen könnte. Dies steht im Gegensatz zu Éowyn aus Der Herr der Ringe, deren Rebellion nicht ohne Liebe ist und letztlich Liebe findet und zur Liebe zurückkehrt.
In Game of Thrones kann nur Macht das Böse besiegen. Für Tolkien jedoch siegt das Gute durch Gehorsam und Demut – durch denjenigen, der seine Schwäche und Bosheit erkennt und nicht auf schlechte Methoden zurückgreift, um gute Ziele zu erreichen.
Schlussfolgerung für die reale Welt
Und hier kehren wir zur realen Welt zurück, zur „Primary World“, wie Tolkien sie nannte. Die Lehre der Vorsehung besagt: 1. Gott kontrolliert alle Ereignisse, ob gut oder schlecht 2. Gott tut alles mit höchster Weisheit. Prüfungen und Strafen sind ein Segen Gottes und ein Beweis für seine Barmherzigkeit Unsere Prüfungen sind nie größer als unsere Kraft, sie zu ertragen. Wenn wir also Gott vertrauen und ihm gehorchen, tun wir das wirklich Gute.
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